292
Herzog von Lothringen zur Wiedereroberung seines Landes an. Gegen ihn wandte sich Karl mit dem Reste seines Heeres, um ihm die Stadt Nancy, die er schon einmal eingenommen hatte, zu entreien. Jetzt aber mute er sogar sehen, da einer seiner vertrautesten Feldherren, der italienische Graf Campobasso, mit dem besten Theile der Reiterei treulos zu dem Feinde ber-ging. Dennoch nahm Karl gegen den ungleich strkeren Feind den Kamps an. Als er sich auf sein Schlachtro schwang, fiel pltzlich der goldene Lwe, der Schmuck seines Helmes, vor ihm zur Erde. Das ist ein Zeichen von Gott!" rief Karl betroffen, und sprengte nicht ohne dstere Ahnung vorwrts. Seine Ahnung traf ein. Er wurde geschlagen und fiel auf der Flucht mit dem Pferde in einen Graben, wo ein feindlicher Reiter ihn mit der Lanze durchstach (1477). Erst zwei Tage nach der Schlacht fand man den Leichnam, mit Blut bedeckt, im Moraste eingefroren. So bezahlte er mit seinem Blute den Beinamen des Khnen, den ihm die Nachwelt gegeben hat. Mit ihm er-losch das burgundische Haus.
Als Ludwig Xi. die Nachricht von des Herzoges Tode er-hielt, war er hchst erfreut. Er hoffte jetzt eine Verbindung zwischen seinem Sohne, der erst sieben Jahre alt war, und der burgundischen Erbtochter zu Stande zu bringen und so sein Reich mit neuen herrlichen Lndern zu vergrern. Er war des Erfolges seines Antrages so gewi, da er schon im Voraus Burgund als sein Erbtheil in Besitz nahm. Allein die Niederlnder haten den hinterlistigen König, fo wie jede Verbindung mit Frankreich, und gaben seinen Gesandten zur Antwort: Maria msse zu ihrem Gemhte einen Mann haben und kein Kind!" Als aber des Kaisers Friedrich Gesandten kamen und jenen Brief Maria's und den Ring vorzeigten, da jauchzte das Volk hoch auf, und Maria erklrte offen: ihn habe sie sich im Herzen erkoren, ihn wolle sie auch zum Gemahle haben und keinen anderen!" und die Verbindung kam zu Stande (1477).
Durch diese Verbindung wurde Maximilian in einen blutigen
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Nancy Graf_Campobasso Karl Karl Karl Karl Ludwig_Xi Ludwig Maria Maria Friedrich Friedrich Maria Maria Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Lothringen Burgund Frankreich
T
— 109 —
dienst, erklärte sich für das Oberhaupt der Kirche und setzte
überhaupt in neun und dreißig Artikeln die Religion in Eng-
land auf die noch jetzt herrscheude Weise fest. Der Grund zu
dieser Neuerung war kein anderer, als weil die katholische
Kirche ihr das Recht der Thronfolge absprach, indem die Ehe
zwischen Heinrich Viii. und Anna Boleyn, aus welcher sie
entsprossen, vom Papste für ungültig erklärt worden war. Die
von ihr gestiftete Kirche wird die englische oder bischöf-
liche, auch die hohe Kirche genannt und weicht in einzelnen
Theilen sowohl von der lutherischen als reformirten ab. Die-
jenigen, welche sich ihren Neuerungen nicht fügen wollten,
wurden von ihren Posten verjagt, andere mit harter Geld-
strafe oder Gefangenschaft belegt, in welcher die Opfer ihrer
Verfolgungswuth nicht selten einen martervollen Tod fanden.
Allmälig legte sich der Widerstand vor der unerbittlichen Strenge
der Königin, und die Meisten wechselten, nun schon zum dritten
Male, die Religion nach den Launen ihrer Gebieter.
25. Maria Stuart, Königin von Schottland.
Der schwärzeste Punkt in Elisabeths Leben ist ihr Be-
tragen gegen ihre unglückliche Verwandte, Maria Stuart,
Königin von Schottland. Diese war erst acht Tage alt, als
ihr Vater, Jakob V., starb (1542) und ihr, als einziger Erbin,
das Reich hinterließ. Wegen innerer Unruhen führte ihre
Mutter sie als fünfjähriges Kind nach Frankreich, wo sie am
Hofe der Katharina von Medici erzogen wurde. Herrlich
entfaltete sich hier unter der sorgfältigsten Erziehung der schöne
Keim, und sie ward bald wegen ihrer Schönheit und Herzens-
güte der Gegenstand allgemeiner Liebe und Verehrung. Kaum
sechzehn Jahre alt wurde sie mit dem Dauphin, dem nachma-
ligen Könige Franz Ii., vermählt. Dies war die glücklichste
Zeit ihres Lebens. Dichter priesen wetteifernd die bezaubernde
Anmuth, den Geist und die Talente der jungen Königin und
sahen einer langen Verkettung von Glückseligkeiten für sie
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Viii Heinrich Anna_Boleyn Maria_Stuart Maria Maria_Stuart Maria Jakob_V. Katharina_von_Medici Franz_Ii Franz
Extrahierte Ortsnamen: Eng- Schottland Schottland Frankreich
119
mal ihre ganze Zuneigung gewonnen hatte. Aber auch sein
Sturz nahete.
Zm Jahre 1599 wurde Esser zum Vicekönig von Irland
ernannt. An der Spitze eines Heeres sollte er die aufrühre-
rischen Unterthanen zur Ruhe bringen. Er beging hier aber
einen Fehler nach dem anderen, so daß er den größten Theil
seiner Truppen verlor und einen unrühmlichen Frieden schließen
mußte. Gleich hierauf eilte er nach London, um sich gegen
die Beschuldigung seiner Feinde persönlich zu verantworten.
Elisabeth wurde aber über die eigenmächtige Vcrlassung seines
Postens so erbittert, daß sie ihn verhaften ließ. Sie entließ
ihn zwar wieder der Haft, entsetzte ihn aber aller Würden
und ließ ihn nur das Amt eines Oberstallmeisters. Insbe-
sondere nahm sie ihm auch den Pacht der Abgaben vom rothen
Weine, der ihm jährlich bedeutende Summen eingetragen hatte
„Wenn man ein allzumuthiges Pferd bändigen will," sagte
sie, „so muß man es kürzer im Futter halten." Darüber ge-
rieth der Graf vollends in Wuth. Aus Rache suchte er den
Sohn der Maria Stuart, den König Jakob Vi. von Schott-
land, zu einem Einfalle in England aufzureizen. Dieser aber
wollte sich mit einem so verwegenen Unternehmen nicht be-
fassen. Als er aber auch in London das Volk zum Aufruhre
aufforderte, wurde er eingezogen, vor Gericht gestellt und zum
Tode verurtheilt. Elisabeth kämpfte lange mit sich, ehe sie
sein Todesurtheil unterschrieb. Weil er sich aber nicht vor
ihr dcmüthigen und um Begnadigung bitten wollte, so über-
ließ sie ihn seinem Schicksale; er wurde 1601 hingerichtet.
Erst nach seinem Tode vernahm sie, daß er mit ganz anderen
Gesinnungen gestorben sei, und sie machte sich nun die bittersten
Vorwürfe über seine Hinrichtung. Vor Gram und Schwermuth
welkte sie sichtbar dahin und starb, im März 1603, im sieben-
zigsten Jahre ihres Alters, nach drei und vierzigjähriger Ne-
gierung. Mit ihr erlosch das Haus Tudor, nachdem es
den Thron von England hundert und achtzehn Jahre in Be-
sitz gehabt hatte; an dessen Stelle trat nun das Haus Stuart.
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Extrahierte Personennamen: Esser Elisabeth Maria_Stuart Maria Jakob_Vi Elisabeth
Extrahierte Ortsnamen: Irland London England London England
219
in Madrid eingezogen." Da endlich war das Maß des Un-
glückes voll, und die Rettung nahe.
46. Kaiser Karl Vi. (1711-1740).
Die letzten Degebenh eiten des Krieges.
Zwei unerwartete Ereignisse trafen zusammen und richte-
ten auf einmal das niedergetretene Frankreich und das Haus
Bourbon wieder auf. Kaiser Joseph I. starb schon im Jahre
1711 an den Pocken, ohne männliche Nachkommen zu hintcr-
lassen. Sein Bruder, der Erzherzog Karl, derselbe, welcher
als König Karl Iii. in Madrid eingezogen war, bestieg nun
als Karl Vi. auch den Kaiserthron und war Erbe der gan-
zen österreichischen Monarchie. Nunmehr konnte das euro-
päische Gleichgewicht nicht erlauben, daß eben derselbe Prinz
auch die ganze spanische Monarchie bekomme. Zu diesem Er-
eignisse kam noch ein anderes, nämlich der Sturz der Partei
Marlborough's in England. Seit 1688 hatten hier die Whigs
oder die Freunde republikanischer Grundsätze die Obermacht,
und Marlborough war das Haupt derselben. Nach und nach
erlangten die Tories wieder das Uebergewicht. Die damals
regierende Königin Anna fürchtete den mächtigen Marlborough
und fand kein besseres Mittel, ihm seinen Einfluß zu nehmen,
als den Frieden mit Frankreich; denn dieser machte ihr den-
selben entbehrlich. Auch mit der Herzogin Marlborough, die
sich nicht in alle Launen ihrer Königin fügen wollte, zerfiel
sie bald und entfernte sie vom Hofe. Allmälig wurden alle
Anhänger des Herzoges aus ihren Aemtern und Würden ent-
setzt, und dieselben den Tories, seinen größten Gegnern, ge-
geben, die nun unablässig auf Frieden drangen, um den Her-
zog ganz entbehren zu können. Seitdem wurden geheime
Unterhandlungen zwischen England und Frankreich eingeleitet.
Friede zu Utrecht (1713), Uastadt und Daden (1714). —
Im Anfänge des Jahres 1712 kamen die Gesandten zur all-
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Extrahierte Personennamen: Karl_Vi Karl Karl Karl Karl_Iii Karl Karl_Vi Karl Marlborough Marlborough Marlborough
Extrahierte Ortsnamen: Madrid Frankreich Haus
Bourbon Madrid England Frankreich England Frankreich
r
— 222 —
Die pragmatische Sanction (1713). — Durch den spani-
schen Erbfolgekrieg hatte der Kaiser erfahren, welches Unglück
für Fürsten und Völker eine unbestimmte Thronfolge haben
kann. Da er nun ohne männliche Erben war, so fühlte er
sich verpflichtet, die Erbfolge in Oesterreich durch ein aus-
drückliches Gesetz gegen jeden Streit und Anspruch festzusetzen.
Er erließ deshalb unter dem Namen pragmatische Sank-
tion*) (gesetzliche Anordnung) eine Erbfolgeordnung, welche
drei Punkte festsetzte: 1) Die sämmtlichen zur österreichischen
Monarchie gehörigen Lander sollen nie getheilt werden. 2)
Dieselben fallen in Ermangelung männlicher Nachkommen an
Karl's Töchter und deren Nachkommen nach dem Rechte der
Erstgeburt. 3) Stirbt diese Linie aus, so erben die Töchter
Joseph's I. und deren Nachkommen. Für die Anerkennung
und Gewährleistung dieser Bestimmungen sowohl von Seiten
der betheiligten Staaten als auch der auswärtigen Mächte
war der Kaiser in den letzten siebenzehn Jahren seiner Regie-
rung unablässig bemüht. Jene waren bald für die Plane des
Kaisers gewonnen; aber erst nach und nach gelang es, auch
die auswärtigen Mächte dafür zu gewinnen oder gar zu er-
kaufen. Dem Beschlüsse, wodurch das deutsche Reich dieselben
anerkannte, widersprachen Bayern und Sachsen, die mit dem
österreichischen Hause verwandt waren. Letzteres suchte er
durch seine Unterstützung bei der Bewerbung um die Krone
Polens zu gewinnen und verwickelte sich dadurch in einen
Krieg, durch welchen er einen Theil der mit vielfachen Opfern
garantirten Länder verlor.
Der polnische Erbfotgckricg (1733 — 1738). — Im Jahre
1733 starb August Ii., König von Polen. Ueber die Wahl
seines Nachfolgers kam es auf dem polnischen Reichstage zu
*) Pragmatische Sanction heißt im Allgemeinen ein vom Landes-
sürsten über eine wichtige Staatsangelegenheit verfassungsmäßig fest-
gestellter Grundsatz, welcher für ewige Zeiten unverletzlich und in Kraft
bleiben soll.
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224
stets neue Verluste vereitelt. Schon zogen die Türken drohend
vor Belgrad; da schloß hier der österreichische Gesandte, Graf
Neipperg, einen für seinen Kaiser höchst ungünstigen Frieden
ab. Oesterreich verlor seinen Antheil von Serbien und der
Walachei sammt Belgrad; nur das Banat behielt es. Die
Donau und Sau waren demnach die Grenzen der österreichi-
schen Besitzungen im Osten.
Karl Vi. starb schon im nächsten Jahre (1740) nach
diesem traurigen Frieden. Mit ihm erlosch der habsburgische
Mannesstamm, welcher 458 Jahre hindurch in Oesterreich ge-
herrscht hatte. Er hinterließ zwei Töchter, Maria The-
resia, Gemahlin des Großherzoges Franz von Toscana aus
dem Hause Lothringen, und Stammmutter des jetzigen habs-
burgisch-lothringischen Hauses Oesterreich, und Maria Anna,
welche 1744 an den Bruder des Großherzoges, den Herzog
Karl von Lothringen, vermählt wurde und noch in demselben
Jahre starb. Der verhängnißvolle Tod jenes letzten Habs-
burgers, Karl Vi., führte nun den österreichischen Erb-
folgekrieg herbei, obschon der edle Kaiser sein ganzes Leben
daran gewendet hatte, den Ausbruch desselben zu verhindern.
Auf diesen Krieg werden wir in der Folge kommen. Zuvor
wollen wir uns zur Geschichte zweier nordischen Reiche, Ruß-
land und Preußen, wenden, welche um diese Zeit anfin-
gen, eine bedeutende Stelle unter den europäischen Staaten
einzunehmen.
47. Rußland unter Peter dem Großen (1689—1725).
In früherer Zeit, vor der Negierung dieses großen Kai-
sers, war Rußland noch wenig bekannt in Europa. Die Be-
wohner desselben galten im Ganzen mehr für Asiaten, und
wirklich schlossen sie sich diesen auch durch Kleidung, Sitten
und Gebräuche enger an. Die einzelnen Völker dieses großen
nordischen Reiches standen unter Fürsten, die man Czare nannte.
Nur selten traten diese durch Gesandtschaften mit den übrigen
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Extrahierte Personennamen: Graf
Neipperg Karl_Vi Karl Maria_The- Maria Franz_von_Toscana Franz Maria_Anna Maria Karl_von_Lothringen Karl Karl_Vi Karl Peter
Extrahierte Ortsnamen: Belgrad Oesterreich Serbien Belgrad Oesterreich Lothringen Oesterreich Europa
278
und protestantischen Kirche, hier Dissidenten genannt, erhoben
einen wüthenden Kampf um völlige Gleichheit der Rechte mit
den Katholiken und rechneten hierbei auf die Unterstützung der
beiden benachbarten Mächte, Rußland und Preußen. So ent^
brannten alle Leidenschaften in wilder Gährung.
Die Kaiserin Katharina Ii. von Rußland benutzte die
Verwirrungen und Spaltungen in Polen, um in diesem Reiche
nicht nur größeren Einfluß zu gewinnen, sondern auch Län-
dererwerbungen zu machen. Im Jahre 1763 wurde mit dem
Tode des sächsischen Kurfürsten, August Iii., der polnische Thron
erledigt, und nun verlangte Katharina, als Nachbarin und
Freundin, die Polen sollten aus ihrer Mitte den Grafen Sta-
nislaus Po niatowski, der früher als Gesandter an ihrem
Hofe gewesen und ihr ganz ergeben war, zu ihrem Könige
wählen. Auch Preußen unterstützte diese Forderung. Zur Er-
reichung ihres Zweckes ließ sie russische Truppen in Polen ein-
rücken, und nun wurde Poniatowski gewählt. Rußland und
Preußen rechneten darauf, von ihm auch erlangen zu können,
was sie in kirchlicher Beziehung zu wünschen hatten; und
wirklich bekamen jetzt die Dissidenten gleiche Rechte mit den
Katholiken. Der größere Theil der Nation aber war höchst unzu-
frieden über die gezwungene Wahl und über das immer weitere
Vorgehen der russischen Kaiserin, als habe nur sie allein in
Polen und über Polen zu gebieten. Eine dumpfe Gäh-
rung ging durch das ganze Land. Und alsbald traten die
Unzufriedenen in eine engere Verbindung, Conföderation ge-
nannt, gegen die Anordnungen Rußlands; und es entstand
nun ein Bürgerkrieg mit allen seinen Gräueln. Zugleich brach
eine furchtbare Pest aus, welche die Menschen zu Tausenden
dahinraffte. Diese unglückliche Zeit der Zerrüttung dauerte
mehrere Jahre fort.
Unter den wachsenden Unruhen in Polen wuchs auch die
Hoffnung der russischen Kaiserin auf Gebietserwerbungen in
dem zerrütteten Lande. Sie ließ immer mehr Truppen in
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Extrahierte Personennamen: Katharina_Ii August Katharina
61. Joseph Ii., Kaiser von Deutschland (1765—1790).
Joseph Ii., der Sohn Maria Theresia's und Franz I.,
war als stiller Bewunderer Friedrich des Großen ausgewachsen.
Was dieser für Preußen war, wollte er für seine Staaten
werden. Wenige Regenten kommen ihm gleich an wohlwol-
lender Gesinnung und regem Eifer für das Wohl seiner
Unterthanen. Schon in früher Jugend entwickelte sich sein
großer und kräftiger Geist und entwarf hohe Plane zur künf-
tigen Umbildung seines Reiches; denn viele alte Vorurtheile
und Mißbräuche schienen ihm noch in demselben zu herrschen.
Rach dem Tode seines Vaters 1765 nahm ihn Maria The-
resia zum Mitregenten an; allein noch war er im freien Wir-
ken gebunden; denn die eigentliche Regierung blieb doch in den
Händen der Mutter. Bei der ihr eigenthümlichen Milde und
Herzensgüte ging diese aber dem feurigen Jünglinge viel zu
langsam in Abstellung der Mißbräuche zu Werke. Erst ihr
Tod ließ ihn zur selbständigen Negierung kommen. Er war
damals neun und dreißig Jahre alt, als er, im Bewußtsein
der Kürze des menschlichen Lebens und des weiten Umfanges
seiner Aufgabe, mit rastloser Thätigkeit die schönen Plane zu
verwirklichen suchte, die er im vollen Jugendfeuer entworfen
hatte. Wie er als Kaiser dachte, dafür spricht am besten die
Stelle eines Briefes an seinen Bruder Maximilian, als dieser
Kurfürst von Köln geworden war: „Als Kurfürst sind Sie
einer der ersten Fürsten des Reiches. Vergessen Sie, daß der
Kaiser Ihr Bruder ist, daß Sie ein Prinz meines Hauses
sind. Opfern Sie sich ganz dem Vaterlande und Ihrem Volke."
So dachte der Kaiser, und so handelte er auch. Er berück-
sichtigte bloß das Verdienst und zog es hervor, wo er es fand,
ohne Rücksicht auf äußere Verhältnisse zu nehmen. Insbeson-
dere nahm er sich des gedrückten Bauernstandes an. Er hob
die von seiner Mutter schon gemilderte Leibeigenschaft auf.
Bei Raudnitz in Mähren legte er einst selbst die Hand an den
Pflug und ackerte eine Furche, den Landleutcn zu zeigen, wie
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Extrahierte Personennamen: Joseph_Ii Joseph_Ii Maria_Theresia's Maria Franz_I. Franz_I. Friedrich Friedrich Maria_The- Maria Maximilian Maximilian
290
sehr verbunden; jedoch wisse er nicht, wie er die Menge der
Auszeichnungen der Art, die er schon habe, neben einander
ordnen solle."
Indessen ist auch nicht zu leugnen, daß Potemkin sich
manche Verdienste um Rußland erwarb, indem er die groß-
artigen Bestrebungen seiner Kaiserin zur Beförderung der
Cultur des Landes kräftig unterstützte. Unter ihrer Regierung
wurden viele Städte, Kanäle und Erziehungsanstalten ange-
legt, öde Wüsten in fruchtbares Erdreich umgeschaffen, der
Handel begünstigt, die Gesetzgebung verbessert, und manche
Mißbräuche in der Staatsverwaltung abgeschafft. Ganz Ruß-
land fühlte den Segen ihrer Negierung und näherte sich mit
starken Schritten der Cultur der übrigen europäischen Völker.
Wir werden später, bei der Erzählung des Unterganges des
polnischen Reiches, noch einmal auf diese Kaiserin zurückkom-
men müssen.
63. Gustav Hl., König von Schweden (1771—1792).
In demselben Maße, in welchem Rußland aus seiner
früheren Stellung sich hinaufschwang, sank Schweden von sei-
ner früheren Höhe hinab. Dieses war durch seine vielen
Kriege, besonders unter Karl Xii., ganz erschöpft und unzu-
frieden wegen der vielen und leichtsinnig unternommenen Kriege.
Daher entwarfen sogleich nach dem Tode Karl's Xii. die
Reichstände eine Verfassung, durch welche die königliche Macht
wesentlich beschränkt wurde, und ihnen das Recht der Ent-
scheidung über Krieg und Frieden, Gesetze und Abgaben zukam.
Neben den Reichständen gab es noch einen Neichsrath, der
eigentlich die höchste Gewalt ausübte, weil die Neichstände
nur selten zusammenkamen. Die beiden ersten Nachfolger
Karl's Xii., der König Friedrich 1. und Adolf Friedrich, er-
trugen noch diese Beschränkung, nicht aber des letzteren Sohn,
Gustav 111., der im Jahre 1771 seinem Vater in der Ne-
gierung folgte. Dieser junge liebenswürdige Fürst gewann
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Hl. Gustav Karl_Xii Karl Friedrich Friedrich Adolf_Friedrich Adolf Friedrich Gustav_111. Gustav
Oesterreich
unter Regenten aus dem Hause Habsburg-Lothringen.
55. Maria Theresia (1740—1780).
Das Todesjahr des zweiten Königes von Preußen war
für ganz Europa ein verhängnisvolles Jahr. Es starb in
demselben auch Anna, die Kaiserin von Rußland, wie auch
der deutsche Kaiser Karl Vi. Wie wenig diesem die prag-
matische Sanction und die großen Opfer, die er derselben ge-
bracht, genützt hatten, zeigte sich sogleich. Kaum hatte er die
Augen geschlossen, und seine schöne geistreiche Tochter Maria
Theresia vermöge des klarsten, von den Mächten gewähr-
leisteten Rechtes, mit ihrem Gemahle Franz von Lothringen
die Negierung der österreichischen Erblande angetreten, als so-
fort mehrere Fürsten mit Erbschaftsansprüchen auftraten. Der
Kurfürst von Bayern, Karl Albert, sprach die ganze Erb-
schaft an und gründete seinen Anspruch auf seine Abstammung
von Anna, der Tochter Kaisers Ferdinand 1. Der Kurfürst
von Sachsen und König von Polen, August 11l., glaubte
wenigstens einen Theil für sich beanspruchen zu dürfen, da er
Schwiegersohn des Kaisers Joseph I. war. Auch Spanien,
auch Sardinien wollten Miterben sein.
Erster schtestschcr Krieg (1740 —1742). — Diesen günsti-
gen Augenblick nun ersah sich Friedrich Ii. in seiner Be-
gierde nach Ruhm und Machtvergrößerung, um mit alten An-
sprüchen auf vier kleine schlesische Fürftenthümer, Jägerndorf,
Brieg, Liegnitz und Wohlau wieder hervorzutretcn, auf welche
seine Vorfahren im Jahre 1688 und wiederum im Jahre 1694
ausdrücklich Verzicht geleistet hatten. Und um seiner Forde-
rung Nachdruck zu geben, ließ er sofort, ohne vorläufige Kriegs-
erklärung, zwei Monate nach Karl's Tode, ein großes Heer
In Schlesien einrücken? Das Land war auf keinen Krieg vor-
bereitet, mit österreichischen Truppen nur schwach besetzt, und
deshalb die Besitznahme leicht. Unterdessen ließ er durch sei-
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Extrahierte Personennamen: Maria_Theresia Maria Theresia Karl_Vi Karl Maria
Theresia Maria Theresia Franz_von_Lothringen Franz Karl_Albert Karl Anna Ferdinand August Friedrich_Ii Friedrich